Todesfackel

Aug. 7th, 2010 01:57 pm
ayascythe: Pink Reaper (Default)
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Autor: [livejournal.com profile] ayascythe 
Fandom:
Die Räuber (Friedrich Schiller)
Pairing: Karl von Moor, Roller 
Rating:
PG-13
Language: Deutsch/German
Einstufungen/Warnungen:
Pre-Slash oder Freundschaft (wie auch immer man es sehen will), Drama Lama, angst
Beta: nicht gebetat
Disclaimer: Die Räuber ist ein großartiges Theaterstück von Schiller, von dem ich mir nur die Charaktere ausleihe und ein bisschen mit ihnen herumspiele. Auch wenn das Copyright wohl schon ein paar Jährchen abgelaufen ist, mache ich ohnehin kein Geld hiermit.

Zusammenfassung:
In der Nacht bevor Roller gehängt wird, schleicht sich Karl zu ihm ins Gefängnis und bietet an seinen Platz einzunehmen.

A/N:
Was soll ich sagen? Ich mag Schiller und seine Theaterstücke fressen mein Hirn.


Todesfackel

Das Schlimmste ist das Warten. Auf den nächsten Morgen, auf den Galgen, auf ein Ende des Bangens und des Händewringens. Auf ein Ende der vermaledeiten Schmerzen, die nach Tagen der Folter noch immer in seinem Körper nachklingen. Roller will einfach nur, dass es vorbei ist. Und natürlich will er leben. Trotzdem schüttelt er vehement den Kopf, als Karl ihn flehentlich unter seiner Verkleidung ansieht.

 

„Wir tauschen die Rollen; Schweizer und Grimm erwarten dich draußen. Es ist bereits alles vorbereitet. Niemand wird etwas merken, und wenn sie es tun, wird es ohnehin zu spät sein.“ Karl drückt sich enger an die hölzernen Gitterstäbe, die die zwischen ihnen stehen wie ein riesiger, unüberwindbarer Graben. Flüstert eindringlich: „Du wirst leben.“

 

In der Ferne ertönt das Klirren eines zerbrochenen Krugs und kurz darauf ein laut vernehmliches Fluchen. Sie zucken beide zusammen. Karl zieht die Kapuze seiner Kapuzinerkutte noch tiefer ins Gesicht, doch das wilde Funkeln in seinen Augen leuchtet noch immer hell im Halbdunkel der Nacht.

 

„Bitte.“

 

So manch einer wäre über diesen Anblick erstaunt gewesen: Der gefürchtete Hauptmann Moor (sein Hauptmann), für den er alle möglichen und unmöglichen Schmerzen erduldet hat, besteht darauf an seiner Statt zu hängen. So manch einer kennt Karl jedoch nicht, wie Roller ihn kennt. Treu, gerecht und manchmal zu idealistisch, als gut für ihn ist. Auf alle Fälle zu edel für eine Berufung als Mordbrenner, aber das würde er ihm nie ins Gesicht sagen.

 

„Warum? Weil du denkst, du könntest damit Buße tun für deine Taten? Deine Unschuld wiederherstellen?“ Er grient – eine Geste, die seinem geschwollenen, zerschundenen Gesicht nicht gerade gut bekommt. Aber was soll's. Dort, wo er hingeht, wird er nicht mehr viel zu Grienen haben. „Vergiss es. In die Hölle kommst du noch früh genug. Ich werd' da auf dich warten.“

 

Karl verzieht unwillig das Gesicht. Wohl, weil Roller ihn genau durchschaut hat. Vielleicht aber auch, weil er den Verlust eines seiner Männer nicht akzeptieren will und kann. „Roller, mein Roller ... “

 

Kopfschüttelnd ergreift Roller Karls Hand, umfasst mit der anderen dessen Wange. Eine Berührung, die gut tut nach all den Tagen der Isolation, und ihm wieder bewusst macht, warum er seine Lippen fest verschlossen gelassen hat. „Verschwinde endlich, Moor. Du weißt, ich habe einen Eid geschworen und ich will verdammt sein, wenn ich ihn jetzt breche! Niemals zagen oder zweifeln. Hast du das vergessen?“

 

Das scheint den Nagel auf den Kopf zu treffen. Moor sieht ihn mit großen Augen an, als ob ihm erst jetzt bewusst wird, dass Roller es ernst meint. Seufzend lehnt Karl die Stirn gegen die Gitterstäbe, dreht sein Gesicht ein kleines Stück, sodass seine Lippen über die Innenfläche von Rollers Hand streifen.

 

„Du warst mir immer der Treuste. Das werde ich nie vergessen,“ murmelt er mit bebender Stimme. Roller kann nicht genau sagen, ob es aus Furcht oder Wut ist. Doch in seinen Augen ist ein Glimmen, das Roller noch nie zuvor gesehen hat. In der Stille ertönt ein weiteres Fluchen, dieses Mal lauter und näher. Energisch löst sich sein Hauptmann aus ihrer Berührung. Auch wenn Karl es zu verbergen sucht: Seine Hände zittern, als er sie hektisch in die Ärmel seiner Kutte schiebt.

 

„Ob du morgen hängst oder nicht, ich werde dir eine Todesfackel zünden, wie sie noch niemandem geleuchtet hat. Die werden es wagen, jemals wieder einen meiner Männer anzurühren“, knurrt er leise. Schritte hallen wider, nähern sich und Karl spuckt resolut neben sich auf den Boden. „Wart's nur ab. Auch ich habe einen Schwur geleistet. Wart's nur ab.“

 

Damit dreht er sich um und eilt in die Dunkelheit der Nacht hinein.

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Illusions

Don't part with your illusions. When they are gone you may still exist, but you have ceased to live.
~ Mark Twain

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